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Die "Geburtsurkunde" Norddinkers
(von Herbert Westermann, aus "750 Jahre Norddinker", herausgegeben
vom Heimatverein)
"In nomine Domini, amen. Soror A.-Del gracia dicta abbatissima, M. prior
totusque conventus sanctimonialium Cisterciensis ordinis in Wronndeberg
...", so beginnt der Wortlaut der im nordrhein-westfälischen
Staatsarchiv Münster (Sign. Fröndenberg Urkd. 9) befindliche Urkunde
von 1243, die Grundlage der 750-Jahr-Feier Norddinkers ist.
In der Urkunde bezeugen die durch Gottes Gnaden zur Äbtissin bestimmte
Schwester A. und M(enricus), Prior des Konvents der Zisterzienserinnen
in Fröndenberg, daß die ehrenwerde und fromme Witwe E(lisabeth),
frühere Grundherrin in Menden, dem Kloster Fröndenberg den Zehnten
in Norddinker aufgetragen hat, den sie selbst von dem Ritter Henricus Rump
kaufte. Die entscheidende Stelle lautet: "decimam quandam sitam in Northinchere"
(der Zehnt in Norddinker). Das Schriftstück ist beurkundet "im Jahre
des Herren 1243, in dem Innozenz IV. im ersten Jahr Papst und Konrad Erzbischof
von Köln ist.
Sicher ist, daß das Gebiet von Norddinker schon vor 1243 besiedelt
war. Bis um 1200 war bereits der Ausbau der Siedlung durch Altbauernschicht
abgeschlossen. Neuere Forschungen, die den Namen "Dinker" nicht mehr von
"Ding" (Gerichtsstätte) und "har" (Anhöhe) sondern von dem prähistorischen
Wasserwort "dink" herleiten, weisen auf eine Besiedlung des Raumes sogar
schon in vorgermanischer Zeit hin. Die urkundliche Ersterwähnung im
Jahre 1243 aber markiert Norddinkers namensrechtlichen Eintritt in die
Geschichte.
Zeit der Kreuzzüge
Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die Zeit der Kreuzzüge
und der Mongoleneinfälle in Deutschland, es entstehen der Parzival
des Wolfram von Eschenbach und die Carmine burana, auf der Wartburg findet
der Minnesängerkrieg statt, die Bauarbeiten am Kölner Dom und
an der Alhambra in Granada werden begonnen, Franz von Assisi gründet
den Franziskanerorden, und in England erläßt König Johann
die Magna Charta.
In dieser Zeit leben Walter von der Vogelweise, Thomas von Aquin, Albertus
Magnus, Hermann von Salza, die helige Elisabeth von Thüringen und
Dschingis Khan. Überragende Gestalt der Zeit ist aber Kaiser Friedrich
II. von Hohenstaufen (1194 - 1250), der seinen Zeitgenossen als "Stupor
mundi" (das Staunen der Welt) galt.
Mit der Thronbesteigung des in der Urkunde angeführten, um 1195
geborenen, 183. Papstes Innozenz IV. im Jahre 1243 erreicht der Machtkampf
zwischen Kaiser und Papst einen Höhepunkt. In dieser Auseinandersetzung
spielt der in der Urkunde ebenfalls genannte 1238 an die Regierung gekommene
Erzbischof von Köln Konrad von Hochstaden die Rolle eines Totengräbers
des staufischen Kaisertums. Als staufisch Gesinnter ins Amt gelangt, geht
er, nachdem Kaiser Friedrich II. 1239 endgültig dem Banne verfallen
war, zur päpstlichen Partei über. Er betreibt die Absetzung des
Kaisers, die Wahl von Gegenkönigen in Deutschland und kommt durch
seine Territorialpolitik in dauernden Konflikt mit seinen Nachbarn. Er
ist tatkräftig und bedenkenlos. Er gründet die Städte Dorsten,
Schmallenberg, Winterberg und Hallenberg und legt den Grundstein des Kölner
Doms.
In Westfalen regiert das Faustrecht
In Westfalen regiert in dieser Zeit wie überall im Reich das Faustrecht.
Vergeblich bemüht sich Konrad von Hochstaden, "ganz Westfalen von
Räubern und Verbrechern zu reinigen".
Hier hatte nach der Ermordung des Erzbischofs Engelbert I. von Köln
1225 durch Friedrich von Isenberg dessen Vetter Graf Adolf von Altena,
der sich seit 1202 Graf von der Mark nannte und 1226 die Stadt Hamm gründete,
im Teilungsvertrag von 1243 einen Teil der Isenbergschen Hinterlassenschaft
endgültig in seinen Besitz gebracht und damit eine Grundlage für
die Machtstellung des märkischen Hauses gelegt.
Unsere Urkunde aus dieser Zeit wird von Äbtissin und Prior des
Zisterzienserklosters Fröndenberg bezeugt. Der um 1100 gegründete
und nach dem Kloster Cîteaux benannte Zisterzienserorden bildete
früh einen weibliche Zweig aus. Die Erzählung vom Ursprung des
Klosters Fröndenberg schildert, wie auf dem Berg Haslei an der Ruhr
eine alte Dingstäte beschattete und an Festtagen auf die frohen Tänze
und Spiele des Volkes herabschaute. Dieser Rest alten Volkstums erregte
Anstoß bei einem Mönch des nahen Klosters Scheda. Er ließ
sich mit einem wundertätigen Marienbild bei der Linde nieder und errichtete
das Kloster Fröndenberg (um 1230). Bei den Zisterzienserinnen finden
wir im 13. Jahrhundert hochadelige Damen als Äbtissinen. Sie wurden
von den Nonnen auf Lebenszeit gewählt. Eine solche Äbtissin war
die in der Urkunde genannte Schwester A.
Der Zeht als Grundstein
Dem Kloster wurde der Zehnt in Norddinker von der Witwe E(lisabeth), frühere
Grundherrin in Menden, aufgetragen. Sie selbst hatte den Zehnt von dem
Ritter Helmicus Rump gekauft. Ursprünglicher Sitz der Familie Rump
war wahrscheinlich das Rittergut Nateln, das später in das Eigentum
der Hauptlinie der vermutlich vom Clotinghof in Dinker stammenden Familie
Clot überging.
In einer weiteren Urkunde aus dem Jahre 1258 beurkunden die Äbtissin
Richardis, der Prior Hildebrand und der Konvent des Klosters Fröndenberg,
daß Johann von der Mark den Zehnten in Frielinghausen und Norddinker
(Nortdinchere) vom Kloster Fröndenberg gekauft hat (später kam
der Zehnt von Norddinker an das Stift Beckum, von dem ihn 1347 das Kloster
Welver erwarb).
Die nächsten Früherwähnungen von Norddinker erfolgen
in Urkunden von 1268 (1269), nach denen Graf Engelbert von der Mark dem
Stift Werden einen Hof in Norddinker (Northinchere) überträgt,
sowie um 1392/93 (Nart-dinckere) und 1434 (Nartdinker).
Zwischen den Bauernkatalogen der letzten mittelalterlichen Erwähnung
Norddinkers im Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486 (Nortdinckeren)
und des Katasters der kontributablen Güter von 1705 klaffte bisher
eine Lücke, die durch ein neu aufgefundenes Dokument aus dem Dreißigjährigen
Krieg (1638) geschlossen wird ([...]). Ab Beginn des 18. Jahrhunderts mehrt
sich dann die Anzahl der Urkunden zu Norddinker beträchtlich.
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